Rheologische Charakterisierung des Trocknungsverhaltens von Kunstmalfarben

Künstlerfarben sind oft komplexe, mehrphasige Flüssigkeiten mit Pigmentpartikeln, Dispergiermitteln, organischen Bindemitteln und Fließkontrolladditiven, die alle entweder in Wasser, Öl oder in einer Mischung aus hydrophilen und/oder hydrophoben Flüssigkeiten gelöst oder suspendiert sind. Während Konservatoren und Konservierungswissenschaftler über beträchtliche Kenntnisse über die in der Malerei verwendeten Pigmente und Bindemittel verfügen, sind Aspekte der Rheologie weitgehend unbekannt. Auch die Künstler wissen seit der Antike, wie Farben zur Schaffung von Kunstwerken vorbereitet, modifiziert und aufgetragen werden, haben aber in der Regel keine Kenntnisse darüber, wie das Fließverhalten der Farbe nicht nur durch die Chemie der Inhaltsstoffe, sondern auch durch die Art der bei der Vorbereitung entstandenen Mikrostruktur gesteuert wird.

 

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d7/Meisje_met_de_parel.jpgTrotz ihrer Relevanz für die Restaurierung von Kunstwerken sind Veränderungen der rheologischen Eigenschaften von Farben während des Trocknungsprozesses bisher nicht berücksichtigt worden. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass sich die Polymerisations- und Vernetzungsreaktionen, die in diesem Zeitraum stattfinden sollen, an Hand rheologischer Veränderungen detektieren lassen. Dies ist vermutlich die sensitivste Art, diese Art der Trocknung zu charakterisieren.

Diese Arbeit wird sich auf (Lein-)Ölfarben konzentrieren, wobei zwei verschiedene Arten von Pigmenten verwendet werden: Bleiweiß, ein seit der Antike verwendetes Pigment, und Ultramarinblau, ein synthetisches Gegenstück zu Lapislazuli, das unter anderem wegen seiner unglaublichen Eigenschaften von Vermeer in dem berühmten Mädchen mit Perlenohrring oder von Van Gogh in der Sternennacht verwendet wurde.

Es sollen die Vorbereitungsbedingungen, wie z.B. die Mahldauer, die zum Mischen der Farbe verwendeten Instrumente oder das Pigment-/Öl-Verhältnis variiert werden, um zu untersuchen, wie dies den Trocknungsprozess beeinflusst.

Der Zeitpunkt, an dem die Farbe als getrocknet gilt, wird durch Oxidations-, Vernetzungs-, und Polymerisationsreaktionen sowie die Verdampfung flüchtiger Komponenten beeinflusst. Dieser Zeitpunkt soll mit Hilfe von drei verschiedenen Methoden bestimmt werden:

1) die rheologische Charakterisierung umfasst oszillierende Scherversuche zur Bestimmung des Speicher- und Verlustmoduls in Abhängigkeit von der Frequenz sowie Versuche mit konstanter Scherung, die die Viskosität der Farbe liefern. Ein maßgeschneiderter Probenhalter für ein kommerzielles Rotationsrheometer, der es ermöglicht, diese rheologischen Größen während des Trocknungsverlaufs zu überwachen (je nach Probenzusammensetzung und Präparations-bedingungen wird mit einer Trocknungszeit von 2 bis 15 Tagen gerechnet).

2) die Dehnbarkeit der Farbe wird in Abhängigkeit von der Trocknungszeit mit einer Universal-Zugprüfmaschine bestimmt, die ebenfalls mit einem spezifischen Probenhalter ausgestattet ist.

3) die Sauerstoffaufnahme wird durch gravimetrische Analyse der oben genannten, unter identischen Bedingungen gelagerten Proben bestimmt.

Die Analyse der Daten zielt auf eine robuste und genaue Bestimmung des Zeitpunkts ab, zu dem die Künstler die Farben als "handtrocken" betrachten.