Kapillarrheometrie

Ziel

Bei Herstellung, Verarbeitung oder Anwendung werden Flüssigkeiten oft hohen Schergeschwindigkeiten (> 103 s- 1) ausgesetzt. Für eine erfolgreiche Auslegung von Kunststoffverarbeitungsprozessen ist die Kenntnis der Scherviskosität der entsprechenden Polymerschmelze bei den verarbeitungsrelevanten, meist hohen Schergeschwindigkeiten unerlässlich. Aber auch bei Verarbeitungsvorgängen wie dem Spachteln, Streichen oder bei vielen industriellen Beschichtungsverfahren spielen hohe Scherraten eine wichtige Rolle. Das (Hochdruck-) Kapillarrheometer ist das Messinstrument um die Fließfunktion eines Stoffes bis zu extrem hohen Scherraten (bis zu 106 s- 1) und Temperaturen (bis 400°C) zu bestimmen.

Messprinzip

Die Flüssigkeit wird aus einem Vorratskanal mittels Kolben mit konstanter Geschwindigkeit durch eine Düse definierter Geometrie (Länge L und Durchmesser D bzw. Breite B und Höhe H bei Rechteckquerschnitt) extrudiert. Der Extrusionsdruck P wird gemessen und ist proportional zur Viskosität η. Die Scherrate lässt sich aus Volumenstrom und Düsendurchmesser ermitteln. Über die Verwendung verschiedener Düsengeometrien lässt sich ein weiter Scherraten- und Viskositätsbereich abdecken.

                              

Abb. 1  Kommerzielles Kapillarrheometer (Rheograph 6000, Fa. Göttfert) und Prinzipskizze eines Hochdruckkapillarrheometers

Spezifikationen

Schergeschwindigkeitsbereich:

    ca. 1 s -1 - 10 6 s -1

Temperaturbereich:

    RT – 400°C

Probenvolumen:

    ca. 25 ml – 150 ml

 

Anwendungen

  • Auslegung von Kunststoffverarbeitungsprozessen 
  • Industrielle Hochgeschwindigkeits-Beschichtungsverfahren 
  • Verarbeitung keramischer Suspensionen und Pasten
  • Lebensmittelverfahrenstechnik

Die Auswertung kapillarrheometrischer Messungen geschieht zunächst unter vereinfachenden Annahmen die nachträglich verschiedene Korrekturen notwendig machen:

  • Elastische Eigenschaften der Flüssigkeit sowie deren Dehnviskosität lassen sich aus Messungen mit verschiedenen Düsen gleichen Durchmessers aber unterschiedlicher Länge ermitteln (Bagley-Korrektur, Cogswell).
  • Wandgleiteffekte sind durch Messungen mit verschiedenen Düsen mit identischem Längen- zu Durchmesser-Verhältnis separierbar (Mooney-Methode).
  • Die Abweichung vom newtonschen Strömungsprofil wird durch das sog. Rabinowitsch-Weissenberg Verfahren korrigiert.

 
Abb. 2  Fließfunktionen einer Suspension ( 62 % Pural-Silikonöl AK 10 6 ) nach Korrektur

Literatur

M. Schopferer; Untersuchungen zum Wandgleiten konzentrierter Suspensionen, Diplomarbeit, Universität Karlsruhe (TH), 2004

N. Willenbacher, H. Hanciogullari, H.G. Wagner, Chem. Eng. Technol. 20 (1997), 557-563

U. Sgodzaj, Messung der Viskositätsfunktionen von Fasersuspensionen am Kapillarrheometer, Studienarbeit, Universität Karlsruhe (TH), 1995